Durchquerung der Chiemgauer Alpen

Wandern

„Irgendwann mach ich mal eine Alpenüberquerung!“ Zumindest war das ein Spruch von mir, den ich im letzten halben Jahr öfters von mir gegeben habe. Na gut, zwei Wochen Urlaub im Mai reichen dafür zwar nicht aus, aber zumindest eine Vier-Tages-Tour muss schon rausspringen. So könnte ich zumindest einmal austesten, wie es so ist wirklich mehrere Tage direkt hintereinander weite Strecken zu gehen. Folgenden Plan hatte ich mir dafür gemacht: Von Bernau am Chiemsee auf die Kampenwand und nach Marquartstein hinunter, dann über Hochgern und Hochfelln nach Rupolding, weiter über das Sonntagshorn und runter nach Unken und zum Abschluss über die Reiteralm in die Ramsau. Vier Tage Marsch, drei Übernachtungen im Tal, ca. 85 km und gute 5200 Höhenmeter… sounds like a plan! Die Vorbereitungen und die genaue Tourenplanung standen dann schnell.

Tag 1 – Kampenwand

Den Spruch mit der Kampenwand, den eh jeder kennt verkneife ich mir hier… Am ersten Tag hatte ich gleich Glück, dass mich jemand direkt auf den Wanderparkplatz Hintergschwendt (820 m) bei Aschau / Bergen am Chiemsee fahren konnte. So konnte ich mir den langen Zieher vom Bahnhof bis dahin sparen. Von Hintergschwendt führt die Tour dann los durch den Wald und auf teils steileren, teils weniger steilen Passagen stetig aufwärts. Die Wege waren zu diesem Zeitpunkt teils etwas nass, da es die Tage vorher richtig geregnet hatte, aber da keine ausgesetzten oder gefährlichen Teilstücke im Waldbereich sind, war das kein Problem. Nach einer guten Stunde tritt man aus dem Wald heraus und kommt in eine Wiesenlandschaft, bis sich dann der erste (und wahnsinnig schöne) Blick auf die Kampenwand auftut. Besondes bei Morgenlicht ist die Atmosphäre und die Vorfreude kaum zu toppen. Das erste Etappenziel, die Steinlingalm (1470 m), liegt direkt am Fusse der Kampenwand und bietet sich zur ersten kurzen Rast an. Von der Steinlingalm auf den Ostgipfel (1669 m) der Kampenwand braucht man dann ca. eine halbe, dreiviertel Stunde. Dazu steigt man direkt geradeaus auf die Wand zu und hält sich dann auf der rechten Seite, wo der Einstieg in die Felslandschaft („Kaisersääle“) beginnt. Teilweise hilft man sich hier mit den Händen und es gibt zwei kurze drahtseilgesicherte Passagen, aber keine wirkliche Kletterei. Mit etwas Trittisicherheit und Schwindelfreiheit ist die Gipfelbesteigung kein Problem und man kann den absoluten Rundumblick genießen. Der Abstieg wird dann auf demselben Weg angegangen und kurz vor der Steinling Alm biegt man rechts ab, um wieder etwas aufzusteigen und knapp unter den Abstürzen des Gipfels vorbei zu marschieren. Nach einem etwas steileren Abstieg lässt man dann die Kampenwand entgültig hinter sich und folgt dem Weg, der mal durch Wälder und mal durch Wiesengelände führt. Als nächstes erreicht man, ca. eineinhalb Stunden nach dem Abstieg vom Gipfel, die Piesenhausener Hochalm (ca. 1400 m), bei der man gut rasten kann. Die erste der Almen ist auch bewirtschaftet, also Zeit sich ein Kasbrettl oder ein Radler zu holen. Hat man genug vom Stillsitzen geht es kurz etwas bergauf und danach nur noch bergab. Hält man sich immer an die Schilder mit „Marquartstein bzw. Niedernfels“ kommt man dann nach weiteren eineinhalb bis zwei Stunden im Tal (550 m) an und muss nur noch zur Unterkunft laufen. Hoffentlich habt ihr eine Unterkunft gebucht, die nicht allzuweit vom Weg liegt 😉

Tag 2 – Hochgern und Hochfelln

Kilometermäßig ist das die längste Tagesetappe der gesamten Tour und auch der lange Gegenanstieg zum Hochfelln hat es in sich. Startpunkt ist der Hochgern-Wanderparkplatz in Marquartstein (600 m). Von diesem aus geht es auf einer Forststraße gleichmäßig und nicht zu steil bergauf. Nach einer Stunde kommt man an der Agergschwendtalm (1040 m) vorbei und folgt dem schmaler werdenden Pfad in den Wald hinein. Die ersten freieren und lohnenderen Blicke folgen dann am Hochgernhaus auf 1460 Meter, wo man einen tollen Blick auf die Talortschaften genießen darf. Aber zu lange sollte man sich jetzt noch nicht aufhalten, da die berauschenderen Gipfelausblicke noch folgen. Hat man nach drei Stunden die letzten Serpentienen überwunden steht man vor dem Hochgerngipfelkreuz (1748 m) und kann sich über die Tiefblicke (auf den Chiemsee) und die Weitblicke (Hochfelln, Kampenwand, …) freuen. Für eine Rast kann man sich beim Hochgerndoppelgipfel entscheiden, ob man unter dem Gipfelkreuz oder bei der Kapelle sitzt. Für den Überweg zum Hochfelln muss man zuerst wieder steil und weit absteigen (ca. 700 Höhenmeter), allerdings kommt man stetig in eine wunderschöne Almenlandschaft und beim Blick zurück fragt man sich wie man da gerade heruntersteigen konnte. Der tiefste Punkt zwischen Hochgern und Hochfelln ist die Eschlmoos-Diensthütte auf 1070 Metern. Von dort aus geht es wieder auf einer Forststraße bergauf und später quert man einen Bach und steigt steiler im Wald bergan. Im weiteren Verlauf verläuft der Weg durch Latschen und wird stetig felsiger bis der stille Teil der Tour vorbei ist und man auf die Menschenmenge am Hochfellnhaus (1674 m) trifft (Seilbahn). Vom Hochfelln auf den Hochgern braucht man ca. 3 Stunden. Der Ausblick ist wieder grandios und man kann sich eigentlich nicht entscheiden, ob Hochgern oder Hochfelln den Besseren besitzt. Beginnt man den Abstieg wird einem langsam klar, wie man zur längsten Tagesetappe kommt. An Fellnalm der vorüber (1350 m) folgt man dem Pfad in den Wald und muss sich teilweise bemühen den richtigen Weg zu folgen, aber schließlich trifft man wieder auf eine breite Forststraße. Ungefähr zwei Stunden muss man noch bis Ruhpolding (660 m) rechnen.

Tag 3 – Sonntagshorn

Die ursprüngliche Route wäre gewesen: Ruhpolding – Hinteres Kraxenbachtal – Sonntagshorn – Hölzlkaser – Unken. Leider musste ich die Routenplanung für diesen Tag umwerfen, da noch zu viel Schnee auf der Route lag, weil es drei Wochen zuvor nochmal geschneit hatte. Die schlussendliche Tagesetappe verlief deshalb über das österreichische Heutal und von der anderen Seite auf das Sonntagshorn. Kilometermäßig natürlich keine Verbesserung, aber so früh im Jahr kann es durchaus mal vorkommen die Route kurzfristig ändern zu müssen. Startpunkt am Tag 3 war der Gasthof Laubau (ca. 700 m). Von dort aus geht es fast eben den Fischbach entlang durch einen schönen Wald. Eine gute Stunde braucht man bis zum so genannten Staubfall und zur österreichischen Grenze. Dieses beeindruckende Naturschauspiel allein ist den Umweg über den Fischbach und das Heutal fast wert. Verfolgt man den Weg weiter erreicht man nach einer halben Stunde das landschaftlich sehr schöne und sonnenreiche Heutal (970 m). Zum Sonntagshorn muss man das Tal in seiner gesamten Länge durchschreiten und bis auf den Gipfel (1961 m) sind es noch ca. drei lange, sonnenausgesetzte Stunden. Über das Gipfelerlebnis kann man dann aber nicht meckern, die Rundumsicht des höchsten Gipfels der Chiemgauer Alpen ist phänomenal. Braungebrannt steigt man wieder ein Stück auf den Serpentinen hinab, zweigt dann Richtung Peitingköpfl ab und folgt im Anschluss immer den Schildern nach Unken. Leider ist der Abstieg ins Tal nicht wirklich kurz und man fragt sich gelegentlich, ob die ein oder andere Wurzel absichtlich so krumm wächst, dass man darüber stolpert… Der Hölzlkaser auf 1230 m bietet nochmals die Möglichkeit die Wasserflaschen aufzufüllen und die Füße kurz auszuruhen. Ein kleines Highlight auf meinem abendlichen Abstieg, war der Ausblick auf Unken (550 m) mit seiner alten Kirche, wenn man aus dem Wald heraustritt, kurz bevor man den Talort erreicht. Als Nachtquartier kann ich übrigens den Kirchenwirt sehr empfehlen. 😉

Tag 4 – Reiter Alm

Die ersten drei Tage gab es mit dem Wetter keine Probleme. Nicht zu heiß, nicht zu windig, aber meistens Sonnenschein. Der letzte Tag begann leicht bewölkt, doch von meinem Plan die Reiter Alm zu überqueren, wollte ich nicht ablassen. Zu Anfang des Tages steht wieder ein fast ebenes Wegstück an, bis man über Reit und Walcher den Wanderparkplatz am Beginn des Alpasteiges erreicht. Hier beginnt ein steiler Waldanstieg mit tollen Ausblicken auf die jäh abstürzende Alpawand. Nach drei anstrengenden Wanderstunden erreicht man die Alpaalm (1240 m) und sein sanftes Almgelände, welches von vielen schroffen und abweisenden Felswänden umgeben ist. Tatsächlich präsentiert sich die Reiter Alm von der gegenüberliegenden Seite (Klausbachtal) noch wilder. Lässt man die Alpaalm hinter sich, beginnt ein weiteres steiles Stück, das jedoch nach einer dreiviertel Stunde wieder abflacht und man betritt die innere Hochfläche der Reiter Alm. Zu den hohen Randgipfel erscheint einem die grüne, mit Sträuchern und Latschen bewachsene Hochfläche, wie der direkte Kontrast. Auf dem flachen Weiterweg zur Traunsteiner Hütte (nicht bewirtet) und dann zur Neuen Traunsteiner Hütte (1570 m) kann man sich kaum an den umgebenden Felszacken und dem grünen Plateau satt sehen. Wie vorher erwähnt war das Wetter auf meiner Tour bewölkt und verschlechterte sich zunehmend, bis ich schließlich einenhalb Stunden nach der Alpaalm die Neue Traunsteiner Hütte betrat. Gerade noch pünktlich, denn zehn Minuten später begann es zu hageln und zu wettern und ich kaufte mir gezwungenermaßen ein zweites Getränk (richtig unglücklich über mein zweites Radler war ich dann doch nicht *g*). Als der Regen zum größten Teil vorbeigezogen, war setzte ich meinen Weg Richtung Ramsau bzw. Schwarzbachwacht fort. Die ersten eineinhalb Stunden ist es ein Auf und Ab und man verliert nur langsam an Höhe, zusätzlich ist der Weg teilweise etwas beschwerlich. Im weiteren Verlauf beginnt der Pfad steiler zu werden und man muss Acht geben nicht zu unkonzentriert zu werden. Schritt für Schritt steigt man auf Felsen und Wurzeln bergab und nähert sich der Schwarzbachwacht und dem Ende der Wanderung. Ungefähr drei Stunden zieht sich der letzte Teil der Tagesetappe, bis man den Wanderparkplatz Wachterl (ca. 900 m) erreicht.

Eine Mehrtagestour will gut geplant und flexibel angegangen werden, aber wenn man sich mit den Gegebenheiten und den langen Tagesetappen arrangiert, kann man es richtig genießen. Es warten viele schöne Naturlandschaften, nette Gespräche am Wegesrand und andere interessante Augenblicke auf einen, vorausgesetzt man ist aufgeschlossen und bereit sich Zeit zu lassen.